Ich bin 56 und für mich war mit 54 der Zug eigentlich abgefahren

2004 hatte ich meinen ersten Herzinfarkt. Ich hatte ihn an einem Sonntag und wurde Mittwoch darauf mit dem Hubschrauber nach Jena geflogen.
Dort hatte ich dann am Freitag schon die dreifach Bypass-Operation.
Der eine Bypass war allerdings nach etwa einem halben Jahr bereits wieder zu, aber die anderen beiden haben problemlos gearbeitet. Also ich hab damit keine Probleme gehabt.
Ich bin zwar berentet worden, weil ich in meinem Beruf als Maler und Sandstrahler nicht mehr arbeiten konnte, aber ich habe durchgehalten bis 2016.
Da hatte ich dann einen Herzstillstand, bin 19 Minuten reanimiert worden. Sie haben mich wieder zurückgeholt, aber ich bin dann ins Koma gefallen. Im Koma hatte ich einen Darminfarkt und hab einen künstlichen Darmausgang bekommen.
Ich habe mich aber wieder ins Leben zurückgekämpft und habe mich bis 2018 wieder so erholt, so dass sie den Darm wieder zurückverlegen konnten.
Kurz nach Weihnachten war mein Schicksal eigentlich besiegelt
Dann habe ich aber aus dem Nichts am 28. Dezember 2019 meinen zweiten Infarkt gehabt.
Damals hatte ich aber das große Glück, dass die Rettungskette perfekt funktioniert hat: Ich habe Schmerzen gehabt, mein Schwiegersohn hat den Notarzt gerufen, die Sanitäter haben nicht lange gefackelt und mich sofort in die Notaufnahme im Krankenhaus gebracht.
Der Arzt in der Notaufnahme hat auch sofort gehandelt und der Professor in der Kardiologie hatte nach 1 oder 2 Stunden die Engstelle gefunden.
Also von dem Zeitpunkt, zu dem der Infarkt war, bis zu dem Moment, in dem sie die Engstelle gefunden hatten, vergingen höchstens 6 ½ Stunden.
Das hat alles super funktioniert. Deswegen hatte ich auch keine Vernarbungen oder ähnliche Schäden, aber trotzdem habe ich mich von diesem zweiten Infarkt nicht mehr erholt.
Ich war total fertig. Im Krankenhaus haben sie mir dann gesagt, dass ich zur Reha gehen soll, also habe ich eine Reha beantragt.
An einem Donnerstag bin ich bei der Reha angekommen und habe dann am Freitag die Voruntersuchungen gehabt. Dort sagte mir der Kardiologe, dass ich mich mal auf das Fahrrad setzen soll. Ich habe mich also draufgesetzt und angefangen zu treten. Sofort sagte er dann aber, dass ich wieder aufhören solle und fragte, wann das letzte Mal bei mir ein Ultraschall gemacht wurde. Ich sagte ihm, dass das letzte im Dezember, direkt nach dem Infarkt gemacht wurde.
Plötzlich fragte er mich dann: „Kann es sein, dass Ihre Herzklappe nicht mehr richtig schließt?“ Ich antwortete ihm, dass ich glaube mich erinnern zu können, dass der Kardiologe mal so etwas in der Richtung gesagt hat, aber sie immer noch zu 90% funktionieren würde und das ist okay.
Der Kardiologe in Bad-Neustadt hat mich dann gleich zum Schluck-Echo geschickt. Dafür bekommt man dann ja eine Narkose und als ich wach wurde, standen etliche Ärzte um mich herum und eine Schwester kam dann gleich mit einem Bett und sagte mir, dass die Kur abgebrochen sei.
Ich wusste gar nicht, was los war. Kurze Zeit später kam der Professor zu mir und sagte: „Herr K. es grenzt an ein Wunder, dass Sie überhaupt noch mit uns reden können. Sie haben nicht einmal mehr 7% Herzleistung. Bei einer derartigen Pumpleistung fallen die Menschen normalerweise ins Koma.“
Und dann fragte ich ihn, was wir machen können. Er sagte, dass es mit einem Spenderherz wahrscheinlich ziemlich schlecht aussieht und dass er mir ein Kunstherz einbauen könnte.
Zuerst sagte ich ihm „Wenn ich sterbe, dann sterbe ich mit meinem Herz“. Nachdem er mir aber alles haargenau erklärt hat, sagte ich ihm, dass ich gerne mit meiner Frau darüber sprechen möchte.
Ich habe sie also angerufen und ihr gesagt, dass es extrem schlecht aussieht. Sie kam sofort ins Krankenhaus und der Professor sagte ihr, dass ich auf Messers Schneide stehe und er würde nicht sagen können, ob ich noch 3 Stunden, 3 Tage oder 3 Wochen habe. Aber ich habe keine Monate her. Und er könne definitiv sagen, dass das Weihnachten so das letzte wäre, dass ich gefeiert habe.
Ich habe den Professor gefragt, welche Alternative ich denn habe und er sagte mir: „Keine!“.
„Aber ich verspreche Ihnen, es geht Ihnen nach der Operation zu 100% besser als jetzt.“ Und dann sagte ich mir, gut, ich will noch leben, also lassen Sie uns das machen.
Und ganz ehrlich, ich hab wahnsinnige Angst gehabt. Es gab dann 8 Wochen lang Voruntersuchungen. Von dem Defi hatte ich einen Fleck auf dem Herzen, von dem sie zuerst dachten, es sei ein Tumor. Es hat sich aber herausgestellt, dass es nur eine Schorfablagerung war.
Der erste Atemzug nach der Operation
Ich hab mich 02.2020 operieren lassen und als ich aus der Narkose aufgewacht bin, habe ich einen ganz tiefen Atemzug gemacht. So einen tiefen Atemzug konnte ich vor der Operation gar nicht machen. Und von da an ging es steil bergauf. Als der Professor dann zu mir kam, habe ich ihn gefragt, ob ich ihn drücken kann. Ich hab gleich das Gefühl gehabt „du hast alles richtig gemacht“. Und die Formkurve ging ja auch steil nach oben bei mir. An einem Dienstag wurde ich operiert und am Montag in der Woche darauf bin ich schon auf die normale Station gekommen.
Und in der Woche danach bin ich am Donnerstag schon zur Kur gegangen.
Ich lag zu diesem Zeitpunkt ja schon 3 Monate im Krankenhaus und ich wollte einfach raus.
Ich bin in der Zwischenzeit ja nochmal Opa geworden. Ich habe schon drei Enkeltöchter, aber meinen ersten Enkelsohn hatte ich durch Corona noch nie gesehen. Sie durften mich ja nicht besuchen kommen und so kannte ich ihn nur vom Videochat. Aber den Kleinen in Live sehen ist doch einfach was Anderes. Und das war mein Motor. Ich hab mir immer gesagt „du musst laufen und wenn‘ s nur bis zur Toilette ist“.
Also hab ich die Schwestern gefragt, ob sie mir nicht einen Rollator besorgen können.
Die Physiotherapie kam ja leider nur eine halbe Stunde am Tag. 23 Stunden lag ich dann ja alleine auf dem Zimmer und dann habe ich gefragt, ob ich nicht alleine auf der Station laufen könne. Und sie haben mir gesagt „Natürlich, Herr K., das können Sie machen und wenn Sie nicht mehr können, dann schreien Sie und setzen sich auf den Rollator und wir kommen“.
Und dann bin ich gegangen. Ich habe mir immer Ziele gesetzt. Ich bin zum Beispiel zum Wasserautomaten gegangen und habe mir meine Wasserflasche selbst geholt. Die habe ich in den Rollator gelegt und bin wieder zurück ins Zimmer.
Und klar, in der ersten Zeit war ich total kaputt danach. Ich habe fürchterlich geschwitzt, aber ich habe gemerkt, dass es jeden Tag besser wurde.
Und es ist heute so, wenn ich ins Krankenhaus komme, sagen die Ärzte: „Herr K., Sie sind das Paradebeispiel und wir können Ihnen nur sagen, dass Ihre Krankheitsgeschichte bei uns in den Archiven steht. Sie sind ein Vorbild dafür, was man erreichen kann, wenn man es erreichen will.“
Im März kam ich nach Hause und schon im Juli sind wir das erste Mal auf einen Kurztrip nach Leipzig gefahren. Und im Oktober bin ich eine Woche zu meinen Eltern an die Küste gefahren. Das Ganze mit dem Zug. Ich habe ja kein Auto.
Ich gehe auch mit einer Tasche duschen. Meine Frau macht den Verband und dadurch sind wir sehr unabhängig. Wir machen nicht mal täglich einen Verbandswechsel.
Zum Duschen habe ich mir in der Apotheke OP-Folie gekauft. Die Rolle ist 20cm breit. Davon schneidet meine Frau dann ein richtig großes Stück ab, dann legen wir eine große Kompresse über die Driveline und die Zugentlastung und wir kleben die OP-Folie darüber.
Als es so warm war, bin ich jeden zweiten Tag so duschen gegangen und das Pflaster mussten wir so nur einmal in der Woche wechseln. Vielleicht ist das nicht für alle was, aber für mich funktioniert das wunderbar. Solange die Wunde super aussieht, ist das für mich alles okay.
Ich habe neue Lebenszeit geschenkt bekommen
Manchmal muss meine Frau mich bremsen, aber ich habe ja neue Lebenszeit geschenkt bekommen und ich möchte keine Minute davon vergeuden.
Im Vergleich: 2016 bin ich nur mit einem Rollator gelaufen und wenn ich das jetzt sehe, wo wir überall hinfahren, was wir unternehmen, da war vor 2 oder 3 Jahren überhaupt nicht dran zu denken. Und das verdankte ich definitiv dem LVAD. Nicht irgendwelchen Tabletten oder weil die Sonne scheint. Ich habe dadurch so viel Leistungsfähigkeit und Lebensqualität zurückbekommen.
Auch durch die GerHeart Hemden. Für mich war die Umhängetasche immer eine schwere Last. Ich bin mit dem Kabel hängen geblieben. Das passiert mir jetzt nicht mehr.
Mein Arzt fragte mich mal, ob ich mich für eine Transplantation listen lassen möchte, aber ich fragte ihn daraufhin: „Nennen Sie mir nur einen vernünftigen Grund, warum ich an dem Zustand jetzt etwas ändern soll?“
Was wir jetzt alles unternehmen, dass konnte ich 2018/2019 alles nicht machen. Und wenn ich ein Spenderherz bekomme, weiß ich auch nicht, was passiert. Wenn ich bei anderen sehe, für welche Kleinigkeiten die Leute dann ins Krankenhaus müssen, bei jeder Erkältung oder ähnlichem, da sage ich mir, mein Körper hat sich gut an die Pumpe gewöhnt und für mich ist der einzige negative Aspekt, dass du nicht baden gehen darfst, aber das ist gegenüber der Lebensqualität, die ich durch das Herzunterstützungssystem zurückbekommen habe, die Mobilität, die Dinge, die ich alleine machen kann, ist das doch wirklich nichts.
